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Die Vulkaninsel einmal anders erleben

Island alternativ

Schwarzer Sand umgibt die kleine Bucht am südlichen Zipfel der arktischen Insel. Schroffe Felsen aus Basalt bieten unserem Zelt zumindest etwas Schutz vor dem Wind, der nicht nur hier an der Küste allgegenwärtig ist. In der Ferne recken sich grüne Tafelberge sehnsüchtig in Richtung Abendsonne, um die letzten Strahlen des Tages einzufangen. 

Von Michi Lehmann

Ein Geheimtipp ist Island, die karge Vulkaninsel am Rande Europas schon lange nicht mehr. Und dennoch verkörpert die Destination im hohen Norden einen Abenteuerspirit, der seinesgleichen sucht. Nach der Finanzkrise hat sich das Land zusammengerafft und die Wirtschaft mit vereinten Kräften wieder auf Erfolgskurs gebracht. Die Tourismusbranche boomt und Besucher aus der ganzen Welt reisen an, um sich hier authentisch eine gehörige Portion Freiheit abzuholen. Über die große Ringstraße, die sich um die gesamte Insel schlängelt, lässt sich dies beinahe im Minutentakt realisieren.

Geysire, unterirdische Magmaströme, tiefe Fjorde, riesige Gletscher und endlose Weiten – Island hat all das im Portfolio, was einen ordentlichen Abenteuerplot ausmacht. In den Sommermonaten Juli und August herrscht hier Hochbetrieb und Besucher werden von Reykjavik aus in Bussen zu den nahgelegenen Sehenswürdigkeiten kutschiert. Sich abseits dieser Touristenströme zu bewegen verlangt etwas Kreativität und Engagement. Wir haben es dennoch versucht und unser Zelt, den Schlafsack sowie die Isomatte eingepackt, um möglichst unabhängig auf der Insel aus Feuer und Eis unterwegs zu sein.

Im Süden des Landes locken Gletscherlagunen, Geothermalgebiete, schwarze Strände und aktive Vulkane. Von der Ringstraße Nummer eins aus zweigen im ganzen Land zumeist nicht asphaltierte Stichstraßen in das dünn besiedelte Hinterland und zu den bekannten Hotspots ab. Jetzt, wo die Insel aus der langen Winterstarre erwacht ist, sind für wenige Wochen auch die Schotterpisten des rauen Hochlands geöffnet, das die Insel von Nord nach Süd durchzieht.

Auf den meisten Routen existieren weder Brücken noch gesicherte Straßenabschnitte. Wer hier unterwegs sein will, braucht ein geländefähiges Allrad-Fahrzeug und sollte auf Eventualitäten wie einen plötzlichen Wetterumschwung, Flüsse, die es in Furten zu durchqueren gilt, oder auch mal einen platten Reifen gefasst sein. Von Reykjavik aus zweigt die Straße nach gut einer Stunde in das südliche Hochland ab, das wir uns zuerst auserkoren haben.

Vorbei an grotesken Lavafeldern und kargen Mondlandschaften geht es immer weiter hinein in eine unwirkliche Welt aus Geflechten und Moosen, die eine unglaubliche Anziehungskraft ausübt. Flussbetten und unzählige Schlaglöcher müssen passiert werden, bis im südlichen Hochland Landmannalaugar, in unmittelbarer Nähe des aktiven Vulkans Hekla, erreicht wird. Das empfindliche Ökosystem, das in seinem Erscheinungsbild einem bunten Ölgemälde ähnelt, steht unter Naturschutz und ist Ausgangspunkt für diverse Trekking-Abenteuer.

Hier draußen beginnt auch Islands wohl berühmtester Wanderweg, der Laugavegur, der in mehreren Etappen an die Küste führt. Entspannung nach einem anstrengenden Trekking-Tag findet man hier in einem Fluss mit warmen Wasser, der aus heißen Quellen entspringt, die es in Island nahezu überall gibt. Trotz der isolierten Lage ist man auch in Landmannalaugar im Sommer selten allein. Auch das Hochland zählt mittlerweile zu den touristischen Sahnehäubchen, die Island zu bieten hat.

Etwas entspannter geht es da im Westen, besser gesagt auf den Westfjorden zu. Weit draußen, wo sich die tiefen Fjorde in die Halbinsel fressen, finden wir einsame Buchten und Strände, die in den verschiedensten Farben leuchten und an die sich nur wenige Touristen verirren. Allein schon der Weg über kilometerlange Schotterstraßen in dieses vergessene Paradies ist eine Reise wert. Da, wo der Atlantik sein raues Gesicht zeigt, bleibt auch das Land von den rohen Kräften der Natur nicht verschont.

Viele Landstriche an der zerklüfteten Halbinsel liegen verlassen ohne jegliche Zivilisation in den Fjorden. Für uns ein perfekter Ort, um Islands Küste auf authentische Weise kennen zu lernen. Fischen, ein Lagerfeuer am Strand oder ein entspanntes Bad in einer der zahlreichen heißen Quelle entlang der Westfjorde bestimmen den Alltag.

Der perfekte Ausgangspunkt für eine Expedition in den hohen Norden der Insel bietet die Kleinstadt Akureyri, wo wir unsere Vorräte für die nächsten Tage auffüllen. Unweit von hier lässt sich der nördliche Teil des Vatnajökull National-parks mit seinen unzähligen Hiking-Trails erkunden.

Auf Trampelpfaden geht es weit hinein in einen landschaftlich absolut vielseitigen Mikrokosmos, in dem man nur wenigen Menschen begegnet. In Richtung Osten passieren wir das Myvatn-Gebiet mit seinem gleichnamigen See. Eine Mischung aus Wasser, Wüste und dampfenden Vulkanlandschaften macht dieses Areal absolut einzigartig. Es riecht nach Schwefel und überall brodeln dunkelblaue Schlamm löcher an der Oberfläche. Eine Wanderung in dieser Umgebung versetzt uns in eine fremde Welt eines entfernten Planeten.

Kerzengerade führt die regennasse Straße durch die Landschaft, deren Vegetation, zumindest was die vielen Bäume am Straßenrand betreffen, an zu Hause erinnern. In den Pfützen spiegeln sich die umliegenden Berge. Die Strecke zurück in Richtung Süden ist lang. Einsame Stellen, an denen sich campieren lässt, finden wir ohne Probleme. Auch die Fjorde im Osten des Landes sind nur dünn besiedelt. Vorbei an den berühmten Gletscherseen, erreichen wir den Skaftafell Nationalpark, von dessen Bergen man freie Sicht auf die Ausläufer des Vatnajökull hat.

Jetzt ist es nicht mehr weit bis zurück nach Reykjavik, dem Ausgangspunkt einer jeden Islandreise. Ein letztes Mal bohren sich die Heringe unseres Zeltes in den schwarzen Sand der kleinen Bucht, an der wir unseren Trip revue passieren lassen. Island begeistert. Und während wir in unseren warmen Schlafsäcken liegen, um den Wellen und dem Wind zu lauschen, sind wir uns einig, dass die kleine Vulkaninsel am Rande Europas in jeglicher Hinsicht ein echtes Abenteuer ist.